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Die Kultur

Ob wir mit Messer und Gabel, mit Stäbchen oder mit Händen essen, die Regeln der unterschiedlichen Kulturen sind vielfältig. Hände schütteln, Umarmung oder mit beiden Händen die Visitenkarte zu überreichen, nichts davon muss mit staatlichen Gesetzen geregelt werden, weil sie in der jeweiligen Kultur verankert sind. Ich kann nicht gleichzeitig händeschütteln und beide Hände an der Visitenkarte haben, multikulturelle Umgebungen sind immer Kompromisse. Mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes, darstellende Künste, gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste, Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum wie auch traditionelle Handwerkstechnikenhttp://www.unesco.de/ike-konvention.html?&L=0U will die Weltgesellschaft zurecht schützen. Aber es verhält sich wie mit den Menschenrechten, dass in der täglichen Politik der Respekt dazu fehlt. Die industrielle Produktion und die Wirtschaftlichkeit sind jeweils weit wichtiger als die unterschiedlichen Kulturerben. Es scheint so, dass wir uns es nicht leisten können die unterschiedlichen vergangenen Schaffensformen zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Kulturpolitik wird nur als Kunstpolitik betrieben. Es sind gerade die aussterbenden Minderheitskulturen, die besonders förderungswürdig wären. Gefördert wird von der Staatspolitik das, was von der Mehrheit unter Kultur verstanden wird. Hierbei auch gerne das, was sich die jeweilige Elite unter Kultur vorstellt. Kultur und Gesellschaft sind eng miteinander verknüpft und einem stettigen Wandel unterworfen. Ist im Hauptmann von Köpenick der Schneider noch eine selbstverständliche Figur für die Paradeuniform, nähten wir achthundert Jahre vorher noch unsere Kleider selbst, ist nun die gesamte Kleiderproduktion in Konfektionsgrößen irgendwo in Bangladesh und China angesiedelt. Wir unterliegen einem ständigen Wandel, der sich immer schneller vollzieht. Bevor eine Ausbildungsverordnung beschlossen werden kann, müssen die Ausbilder eigentlich schon das Lehrmaterial wegwerfen, denn kaum war das Yellowcable da, war es auch schon wieder weg und der Techniker sollte lieber ein WLAN einrichten können. Waren Einmalfarbbänder noch ein Datenschutzproblem sind es jetzt verlorengegangene USB-Sticks. Nicht alles ist schützenswert, jedoch waren Steintafeln und Bücher haltbarer als kultureller Informationsträger. Die Haltbarkeit der Datenträger ist keine zwanzig Jahre mehr und selbst Kulturwerke wie Fritz Langs Metropolis waren nur mit Müh und Not rettbar und das ist noch keine hundert Jahre her. Eine Vielzahl der Filme, die vor achtzig oder neunzig Jahren gedreht worden sind, dürften wohl für immer verloren sein. Damit können wir auch nicht mehr nachvollziehen, was auf die Menschen einwirkte, vor der großen Barbarei des zweiten Weltkriegs. Die Flut der kulturellen Schöpfungen mit dem gleichzeitig rasenden Verfall lässt uns kulturlos werden.

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