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Klagen verboten? – Ein Plädoyer für gleiche Waffen und eine demokratische Gerechtigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen bei Einführung der neuen SGB-II-Gesetzgebung abgelehnt. Die häufigste Begründung war, dass der Klageweg zu beschreiten sei. Andererseits: Selbst wenn der Klageweg beschritten wurde, wird es solche Urteile wohl in Zukunft nicht mehr geben, wenn die Bundesregierung sich durchsetzt und die SPD im Bundesrat der Bundesregierung folgt.

1981 wurde unter Rot-Gelb die Prozesskostenhilfe eingeführt. 2013 wird diese Hilfe unter Schwarz-Gelb wieder abgeschafft. Eine fehlerhafte Gesetzgebung mit einer fehlerhaften Verwaltung führte in den vergangenen Jahren zu einer Prozessflut. Statt die Fehler in der Gesetzgebung und in der Verwaltung zu korrigieren, versucht die Regierung, das Unrecht durch Zugangserschwerung zu den Gerichten zu zementieren. Der Staat hat einen Großteil der Prozesse verloren, die zum Beipiel wegen SGB-II-Bescheiden geführt wurden. Tatsächlich sind die meisten Praktiken teilweise entwürdigend und somit kam und kommt die Prozessflut nicht von ungefähr.

Es ist ein Trauerspiel, dass eine Petition eingereicht werden muss, denn eigentlich ist die Prozesskostenhilfe zu gering und schafft noch lange nicht die Waffengleichheit vor Gericht. Ärmere oder arme Menschen sind bei weitem noch nicht vor Gericht gleichgestellt, und die 1981 eingeführte Prozesskostenhilfe war nur ein Minimalkompromiss. Bevor es zu einem Urteil kommen kann, kann der Antragssteller bei Gericht nur dann Prozesskostenhilfe erhalten, wenn das Gericht bereits Erfolgsaussichten bescheinigt.

Verfahren, die zwar aus der Sicht eines Klägers gerechtfertigt erscheinen, aber in der ersten Instanz keine Aussicht auf Erfolg haben – dabei ist zu berücksichtigen, dass ein und dasselbe Gericht zum einen das Verfahren durchführt, aber auch gleichzeitig die Erfolgsaussichten beurteilt – erhalten nach der alten Prozesskostenhilfe sowieso keine staatliche Unterstützung. Solche grundsätzlichen Rechtsverfahren sind sowieso nur Menschen vorbehalten, die sich den Gang zu Gericht leisten können.

Umgekehrt ist die Waffengleichheit mit Behörden nie gegeben, da gerade in der Sozialgesetzgebung ein Sachbearbeiter ohne Prüfung der Erfolgsaussichten einfach so Ansprüche abwehren kann. Der Staat muss nie prüfen lassen, ob seine Klage gegen den Bürger Aussicht auf Erfolg hat. Gerade berufsgenossenschaftliche Ansprüche werden so gerne abgewehrt, da die zumeist bedürftigen Kläger sich ein Klageverfahren nicht leisten können. Demgegenüber stehen Kosten der Prozesskosenhilfe und der Beratungshilfe von ca. einer halben Milliarde im Jahr, die der Staat aufwendet. Zum Vergleich: Das Verwaltungsvermögen einer einzigen Berufsgenossenschaft wie der BG-Bau beträgt 1 Mrd. Euro, das heißt eine BG könnte Klage gegen alle Armen der BRD führen und würde dabei nicht pleite gehen.

Die Prozessdauer ist eine Kalkulationgrundlage bei der Abwehr von Ansprüchen bei so mancher privaten Versicherungsgesellschaft. Hierbei wird sogar mit dem Ableben des Anspruchsberechtigten kalkuliert, da der Weg durch die Instanzen hier nicht eine Frage des Erfolges ist. Es geht also dem reichen Konzern bei der Inanspruchnahme der Gerichte nicht um die Erfolgsaussichten, sondern er beschreitet den Klageweg auch dann, wenn er weiß, dass er letztinstanzlich verlieren kann. Die Prozesskostenhilfe wird hierbei nicht immer gewährt, da das Alter des Klägers durchaus zu den Erfolgsaussichten beiträgt. Zynisch gefragt: Hat der arme Kläger überhaupt die Erfolgsaussicht, den Gewinn des Prozesses zu erleben?
Das sind bereits Mängel, die eine Reform der Prozesskostenhilfe eigentlich in die entgegengesetzte Richtung erforderlich macht. Statt aber die Prozesskostenhilfe zu verbessern, wird das Recht für arme Menschen noch mehr eingeschränkt.

Die Rechtsschutzgleichheit ist ein Grundrecht von Verfassungsrang. Was Frau Leutheusser-Schnarrenberger dort auf den Weg gebracht hat, ist meines Erachtens ein Verfassungsbruch.
Es war bisher schon fraglich, ob die Prozesskostenhilfe Waffengleichheit hergestellt hat. Die Zukunft der Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist eine Degradierung der Armen als Menschen zweiter Klasse.
Statt sich ca. 86 Millionen Euro im Jahr durch eine Abschaffung der Beratung zu sparen, sollte die Bundesregierung Verwaltungskosten sparen, die durch die Einführung der SGBII-Gesetzgebung jährlich verursacht werden. Die Arbeitsagentur als Gegenseite der Klageflut hat Mehrkosten von 4,4 Mrd. Euro jährlich durch die Umwandlung von Aushilfsverträgen zu Festanstellungen.

Die Beratungs- und Prozesskostenhilfe sollte ausgebaut statt abgebaut werden. Oder aber Entschädigungssummen und Urteile müssten das finanzielle Risiko so steigern, dass eine Anwaltskanzlei riskiert bei Millionen oder Milliardenentschädigungen auch gegen Erfolgshonorar den Prozess zu führen.
Solange wir aber eine Rechtsgestaltung haben, wie sie derzeit ist, ist eine solche Waffengleichheit nicht gegeben, so dass der Staat eben entsprechend einspringen muss. Eine Kürzung der Prozesskostenhilfe ist unter der gegenwärtigen Rechtsgestaltung nicht hinnehmbar und wie gesagt meines Erachtens ein Verfassungsbruch.